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Corona, der Spielverderber

16/03/20 – 31/03/20: Am Morgen nach unserer Ankunft in San Antonio de los Cobres tauchte die Polizei auf und nahm zum ersten Mal unsere Personalien auf. Der recht nette Beamte erklärte uns, dass wir weiterfahren dürften, empfahl uns aber, im Spital einen „Gesundheitscheck“ machen zu lassen. Also marschierten wir zu sechst ins örtliche Spital, um dort zu erfahren, dass der Doktor in einer „Corona-Krisen-Besprechung“ sei und man nicht wisse, wann er zurückkehren würde. Da wir uns in einem kleinen, einfachen Bergdorf auf über 3'500 m.ü.M. befanden, entschieden wir uns, so rasch wie möglich in die Provinzstadt Salta zu fahren. Wir füllten noch unsere Lebensmittelvorräte soweit wie möglich auf und fuhren dann auf der ab jetzt asphaltierten RN51 in Richtung Tal. Die Strasse war kurvig, aber gut zu befahren und führte durch eine sehr sehenswerte Landschaft mit farbigen Felsen und riesigen Kakteen. Leider konnten wir unsere Fahrt nicht so geniessen, denn unsere Gedanken drehten sich fast ausschliesslich um „Corona“ und wie es mit unserer Reise weitergehen sollte.

 

Wir fuhren weiter bis nach Salta, da wir uns dort mit Marcus (den wir von der Strandtour kannten) verabredet hatten. Als wir auf dem Stellplatz im Park ankamen (der offizielle Camping war schon geschlossen), hatten wir den Eindruck, dass in der Stadt noch alles recht „normal“ ablief. Von der „freiwilligen Ausgangssperre“ war nicht viel zu sehen. So gönnten wir uns ein paar gemütliche Stunden, in denen wir in einem Restaurant sassen und durch die Innenstadt von Salta spazierten. Natürlich drehten sich die Gespräche mehrheitlich um das Thema „Corona und wie weiter“. Als die Schweiz alle Reisenden aufrief, möglichst rasch nach Hause zu kommen, schien unsere Entscheidung klar. Wir wollten möglichst rasch in das rund 2'000 km entfernte Uruguay zurückfahren, um unseren Muck sicher einzustellen und evtl. einen Flug in die Heimat zu erwischen. Lang hatte dieser Plan aber nicht Bestand, denn wenige Stunden später schlossen Argentinien und Uruguay ihre Grenzen und der Flugverkehr wurde drastisch reduziert. So entschieden wir uns, am nächsten Morgen die Grossstadt Salta in Richtung Cafayate zu verlassen und uns dort einen Platz zu suchen, um die angekündigte „offizielle Ausgangssperre“ zu „überbrücken“.

 

Wir deckten uns nochmals mit weiteren Lebensmitteln ein und versuchten erfolglos bei WesternUnion Bargeld zu bekommen. So verliessen wir halb-verrichteter Dinge die Stadt, um dann über die T68 in Richtung Cafayate zu fahren. Zu Beginn kamen wir noch recht gut voran, es ging aber nich lange bis wir in die erste Polizeikontrolle kamen. Zuerst schien es, dass wir unbehelligt weiterfahren dürften, doch als wir uns kurz mit Adrian und Madeleine aus dem Kanton OW unterhielten, welche in die andere Richtung unterwegs waren, überlegten es sich die Beamten anderes und wir durften nicht weiterfahren und mussten auf andere Polizisten aus dem Nachbardorf warten. Die trafen nach etwa 20 Minuten ein und wir gaben zum zweiten Mal unsere Personalien an. Anschliessend wurden wir ins Spital von Coronel Moldes eskortiert, wo wir alle einen Gesundheitscheck machten mussten. Die leitende Ärztin war schockiert, dass wir überhaupt noch am Reisen waren. Gestern hatte die argentinische Regierung ein Dekret verabschiedet, welches vorsah, dass rückwirkend per 01/03/20 (es war jetzt der 17/03/20) alle aus anderen Ländern eingereiste Personen in eine 14tägige Quarantäne müssten. Bei uns allen waren die 14 Tage um; bei uns zwar knapp, aber sie waren um. Andrea diskutierte länger mit der Ärztin und dank ihrer Hartnäckigkeit erhielten wir alle ein positives Gesundheitszeugnis. Zu unserer Überraschung kam die Polizei nochmals zurück und wir füllten ein weiteres Mal ein Formular aus, wo wir all unsere Personalien angeben mussten. Das hatten wir vorher bei der Ärztin auch schon alles gemacht. Zum Schluss mussten wir diverse Dokumente (alles auf Spanisch) unterzeichnen. Die Polizisten fragten uns nach unseren Plänen und als wir ihnen erzählten, dass wir nach Cafayate wollten, sagten diese, dass sie uns bis dahin eskortieren würden, damit wir keine Probleme mehr hätten. Zudem würden sie für uns bei der dortigen Polizei anrufen, um unsere Ankunft anzumelden.

 

So fuhren wir dann begleitet von einem Polizeiauto los, weiter der RN68 folgend. Die Eskorte dauerte aber nur etwa 1/3 der Strecke und plötzlich waren wir wieder alleine. Noch immer davon ausgehend, dass wir in Cafayate erwartet würden, durchquerten wir die sehr sehenswerte Quebrada de las Conchas mit ihren mehrfarbigen Felsen ohne grössere Pause. Aufgrund der recht angespannten Stimmung konnten wir die schöne Landschaft leider nur bedingt geniessen. In Cafayate angekommen, mussten wir unsere Personalien wiederum angeben und es schwante uns, dass die hier keine Ahnung von unserer Ankunft hatten. Wir wurden aber ins Dorf gelassen und suchten uns einen Platz für die Nacht, der etwas ausserhalb des Dorfes am Hang lag (die Campings waren alle schon geschlossen). Wir hatten uns noch nicht fertig eingerichtet, tauchte schon wieder ein Wagen der Polizei auf und die Beamten teilten uns mit, dass wir nicht hier bleiben dürften und weiterfahren müssen. Als wir fragten, wo wir dann übernachten dürften hiess es „keine Ahnung, aber nicht hier“. Wir zeigten ihnen all die heute von der Polizei und dem Spital in Coronel Moldes erstellten Dokumente, aber diese interessierten die Beamten überhaupt nicht. Nach langer, recht intensiver Diskussion und unserer Weigerung in der Nacht weiter zu fahren, kamen wir mit den Beamten überein, dass wir die Nacht am Stellplatz bleiben durften und morgen im örtlichen Spital einen weiteren Gesundheitscheck machen sollten. Anschliessend würde entschieden, ob wir im Dorf bleiben dürften. 

 

Am nächsten Morgen ging es nicht lange und es standen andere Polizeibeamten vor uns. Die sagten uns ein weiteres Mal, dass wir unverzüglich abzureisen hätten. Wir erzählten dieselbe Geschichte wie gestern und zeigten unsere Dokumente, aber auch heute schienen die Beamten für unsere Anliegen „taub“ zu sein. Seit Mitternacht sei der gesamte Ort abgeriegelt und niemand dürfe in den Ort „einreisen“ oder vom Ort „ausreisen“. Als wir sie darauf hinwiesen, dass wir ja dann wohl auch nicht „ausreisen“ dürften, wurde uns sogar mit Gefängnis gedroht. Wir stellten uns auf „stur“ und irgendwann sahen auch die Beamten ein, dass wir eine Lösung finden mussten. Wir schrieben zwei Air B&B-Unterkünfte an und als wir das den Beamten mitteilten, machten diese uns den Vorschlag, für uns den geschlossenen Camping Municipal Loro Huasi zu öffnen. Da wir in der Zwischenzeit realisiert hatten, dass das Hauptinteresse der Polizei war, uns aus „ihrem“ Dorf zu „verjagen“ und nicht uns irgendwie bei der Suche nach einem Stellplatz zu helfen, waren wir skeptisch, nahmen den Vorschlag schlussendlich aber an. So wurden wir ein weiteres Mal eskortiert und erreichten bald den besagten Camping. Die Polizei diskutierte etwas mit dem Platzwart und schlussendlich wurde für uns das Tor geöffnet und wir durften auf den Camping fahren. Wir waren sehr dankbar und erleichtert, dass wir endlich einen offiziellen Stellplatz für die nächste Zeit hatten. Wenig später erschien eine Delegation von Ärzten des örtlichen Krankenhauses und wir wurden nochmals nach unserem Gesundheitszustand gefragt und erhielten ein weiteres Zeugnis, dass wir gesund waren. Uns wurde mitgeteilt, dass wir sicher bis am 31/03/20 (Ende der „offiziellen Ausgangssperre“) hier bleiben müssten und uns wenn möglich auch nicht vom Camping entfernen dürften.

 

Als wir eine Nacht auf dem Camping verbracht hatten, machte ein Bekannter von Marcus uns das Angebot, dass wir auf die nahegelegene Finca eines seiner Freunde fahren dürften und dort das Ende der Ausgangssperre abwarten könnten. Die Polizei in Cafayate liess uns aber nicht abreisen. Irgendwie verständlich, denn es herrschte ja „Ausgangssperre“: So richteten wir uns auf dem Camping Municipal in Cafayate für einen längeren Aufenthalt ein. Der Campingwart war sehr nett und wir durften die ganze Infrastruktur des Campings nutzen. Das heisst, WCs, Duschen, Wasser, Feuerstellen, Picknick-Tisch und Stromanschluss – nur der Pool war nicht in Betrieb. Dank der Unterstützung von Cecilia (einem der angefragten Air B&B-Hosts) bekamen wir die Koordinaten einer supernetten Familie im Dorf, welche uns dann regelmässig mit Lebensmitteln, Getränken und anderen Artikeln des täglichen Gebrauchs versorgte. Gelegentlich kam ein Krankenwagen mit Ärzten vorbei, der uns nach unserem Gesundheitszustand fragte. Die Zeit vertrieben wir uns mit Lesen, Spanisch lernen, Yoga-Lektionen, Sport, Kochen, Feiern, Fotos bearbeiten, Wäsche waschen, Auto putzen, Brot und Bananenkuchen backen und vielem mehr. Uns wurde es nicht langweilig und dank dem quasi immer tollen Wetter konnten wir die meiste Zeit draussen sein. 

 

Wir waren froh, dass wir nicht alleine waren und mit Chris und Angie, Patrik und Beatrice sowie Marcus mit seiner Hündin Frieda grossartige Menschen um uns herum hatten. Glücklicherweise war der Mobilempfang in Cafayate ziemlich gut und so konnten wir uns auch mit unseren Familien und Freunden via WhatsApp austauschen. Die Situation war auf beiden Seiten des Ozeans für alle sehr surreal und es war zu hoffen, dass sich die Lage beruhigen würde.

 

So warteten wir einmal den angekündigten 31/03/20 ab und waren gespannt, wie es danach weiterging. Im nächsten Bericht erzählen wir euch gerne wie es uns ergangen ist. Ihr dürft gespannt sein.

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Kommentare: 1
  • #1

    Jan & Marita (Mittwoch, 09 September 2020 19:01)

    Wenn wir Euren Bericht lesen, kommen Erinnerungen hoch. Unglaublich was für Situationen wir alle durchmachen mussten. Hut ab, Ihr habt das prima gemeistert.
    Grüsse in die alte Heimat ��

    www.MaJanta.net